BLOSSOM (collection)

Text: Carina Koch und  Amanda Rosengarth



Lena Grewenig übersteigt in ihrem künstlerischen Schaffen mediale und zeitliche Grenzen. Die 1988 geborene Künstlerin ist nicht nur Meisterschülerin der Städelschule, sondern gleichzeitig Absolventin der Zeichenakademie Hanau. In ihrer Schmuckkollektion ‚Blossom‘ stellt die Malerin und Goldschmiedin organische Formen abstrakten gegenüber, die sich in einem ergänzenden und herausfordernden Spannungsverhältnis befinden. In ihrer Kollektion BLOSSOM ist es vor allem eine romantische Symbolsprache, die ihre Schmuckstücke auszeichnen.

Organische Materialien als Inspiration
Schon während ihres Aufenthalts als Stipendiatin auf Mallorca im Jahre 2018 erweiterte Lena Grewenig ihr Interesse an organischen Materialien. In dieser Zeit begann sie aus selbst gesammelten Erden und Steinen Malpigmente zu gewinnen. Indem die organischen Stoffe einen konkreten Raum und einen bestimmten Zeitpunkt verkörpern, sind sie als Symbole der romantischen Sehnsucht nach vergangenen Momenten und fernen Orten zu verstehen, in denen sich die Natur mit dem Menschen verbindet. So ist das Bedürfnis nach der Erkenntnis der Natur gleichsam ein Streben, das Selbst zu erkennen – der Mensch ist als ein Teil der Natur zu begreifen. Auch ihren Schmuckstücken sind der Moment und die entsprechende Erinnerung eingeschrieben, sodass sie zu Zeugen von Geschichten werden. Die Naturalien werden zu Vermittlerinnen von Gefühlen und Gedanken individueller Erlebnisse.

Die Konservierung des Vergänglichen
In ihrer Schmuckkollektion setzt Lena Grewenig diese Auseinandersetzung durch das Arbeiten mit natürlichen Rohstoffen wie Blüten, Korallen oder Süßwasserperlen fort. Dabei verändert sich allerdings der Umgang mit dem Organischen, indem nicht mehr seine Essenz, sondern sich vielmehr seine visuelle Präsenz in unserer alltäglichen Wahrnehmung zeigt. Die getrockneten und anschließend in Harz gegossenen Blüten oder Blätter verdeutlichen damit umso stärker den Prozess der Konservierung des Moments, denn das handwerkliche Verfahren greift in die Vergänglichkeit der Naturalie ein. Die darin eingeschriebene Erinnerung wird nun dauerhaft bewahrt, sodass die Konservierung sowie die menschliche Kunstfertigkeit das romantische Streben nach dem Unendlichen verdeutlichen. Gleichzeitig ruft der Anblick einer Blüte Assoziationen an deren einstigen Duft hervor und unterstreicht zusätzlich das romantische Motiv der Flüchtigkeit. Der Schmuck löst damit zeitliche Grenzen auf und führt von den menschlichen Sinnen bis zum kosmischen Ganzen.

Die Verflechtung von Pflanze und Edelmetall
Die in Harz gegossenen Blumen oder Blätter werden darauffolgend von Lena Grewenig mit einem Flechtwerk aus Silber verbunden. Obwohl die Materialität dieser beiden Bestandteile auf den ersten Blick konträr zu sein scheint, ist auch der Glanz und Schimmer des Edelmetalls von vergänglicher Natur. Das sich vermeintlich unendlich fortsetzende abstrakte Knotenwerk wirkt mit seiner organischen Form der Härte des Silbers entgegen: Die statische Konstruktion des Metalls scheint sich in ein dynamisches Wurzelwerk zu verwandeln, sodass sich die strenge Geometrie zugunsten von natürlichen Kräften in ein stetiges Werden auflöst.

Die Finalität des Prozesshaften
Gleichermaßen zeigt sich daran die Verflechtung des Prozesshaften und der endgültigen Werkaussage in den Schmuckstücken von Lena Grewenig. Die skizzenhafte Erscheinung ermöglicht das Erfahren des individuellen Schaffensprozesses, die gleichzeitig mit der Abgeschlossenheit des Werkes einhergeht. Wie die Kunstschaffenden der Romantik ist die Goldschmiedin nicht an anonymer Perfektion interessiert, sondern ihr eigenes Handeln und Denken führt jedes Stück zu seiner einzigartigen Form. Auch ist jede einzelne Blüte oder jedes einzelne Blatt ein Unikat, das speziell von der Künstlerin auserwählt wurde. So ist jedem Exemplar eine eigene Geschichte eingeschrieben.

( Carina Koch )

Nachhaltigkeit und Digitalisierung
In Bezug auf die Themen Nachhaltigkeit und Digitalisierung stellt Lena Grewenig ihre Schmuckstücke in ein Bewusstsein der nachhaltigen Digitalisierung, welches über die computerlesbaren Informationen wie Matchmaking-Tools, digitale Marktplätze und virtuelle Shopping Erlebnisse hinaus geht. Die Designerin verpflanzt ihre Stücke in den Kontext des Hier und Jetzt, indem sie die Möglichkeiten der digitalen Technologien nutzt, sie jedoch stets in die genannten kunsthistorischen und ökologischen Eindrücke ihrer Naturbetrachtung einbettet. Ausgehend davon positioniert sie sich mit ihrer ressourcenschonenden Schmuckkollektion und deren Vertrieb im Sinne einer reflektierten Partnerschaft zwischen Mensch und Maschine, die auf einer Gesellschaft basiert, die sich mit der Natur vernetzt, um zukunftsorientiert zu handeln. Lena Grewenig spricht sich anhand dieser Wechselwirkung für innovative Ansätze aus, die vorausschauende Lösungen anstreben und verarbeitet diese Anschauungen zugleich in der romantischen Symbolsprache ihrer Kollektion. 

( Amanda Rosengarth )

COLLECTION BLOSSOM 2020/21